Japanien

Mir bricht der kalte Schweiss bereits aus, wenn ich im Büro vor drei Leuten eine Übersicht meiner Projekte geben soll. Ich schreibe lieber. Und schwärme mehr oder minder heimlich für Menschen, die locker flockig vor eine Gruppe Unbekannter stehen und frisch von der Leber weg sprechen. Also, nicht einen Monolog halten (danke, mein Seklehrer war 64) oder blöde Sprüche reissen (das kann ich auch) sondern Inhalt unterhaltsam und intelligent vermitteln. Eine regelrechte Rede halten. In solchen Momenten wünsch ich mir, ein bisschen amerikanisch zu sein. Die üben das dort ja bereits in der Spielgruppe. Aber dazu ein ander Mal. Wir waren also alles Erwachsene, die gebannt Frau Sakata’s einführenden Ausführungen zum ersten

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Japanspaziergang lauschten. Ist ja so eine Sache mit den Schweizern und den Japanern, gäll. Beide machen sich vom jeweils anderen Land und den Leuten ein konkretes Bild und meinen „ouja, det wotti scho lang mal anä“. Dabei haben sie wie wir keinen blassen Schimmer. Keinen. Naturgemäss erwartet einen – sollte es denn zu besagter Reise kommen – ein Mekka der Fettnäpfchen. Dem verspricht Ronja Sakata nun Abhilfe zu schaffen. Finanziert wurde das Projekt auf wemakeit, wo viele kleine Spender etwas Tolles unterstützen können und so grossartigen Projekten entstehen helfen. Wir Sponsoren hatten dann also die Ehre und wurden im Restaurant Shinwazen* mit gespritztem Weissen à la Japon empfangen (Yuzu statt Citro. Oishii.). japanspaziergang_shinwazenokrasüppchen

Mit dem Glas in der Hand blieb genug Zeit, all die Feinigkeiten im zugehörigen Laden zu begutachten. Und zu degustieren. Saucen, Öle, Kosmetik und sogar Möbel von astreiner Herkunft und mit Sorgfalt vom Betreiberehepaar ausgesucht, welches grössten Wert auf einwandfreie Qualität legt und exquisiten Geschmack beweist. Als Einstieg gleich ein Beispiel das haften blieb: wenn wir Sake trinken oder nach Sojasauce fragen, lächelt der Japaner nur müde. Denn Sake oder Sojasauce gibt es nicht. In Japan findet sich auf der Speisekarte dafür Rotwein und man hat die Wahl zwischen Glas und Flasche. Weischwasimein?

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Zur knackigen Einführung mit Diashow wurde ein ausgezeichneter Znacht gereicht, bei welchem das Gelernte bzgl Stäbchen und sich-am-Tisch-Schneuzen also gleich umgesetzt wurde. Oder umzusetzen versucht wurde, gäll Steffi. Folgerichtig krallte ich mir den Spickzettel mit Thema Restaurant. Bitte. Danke. Was ist das? Kann ich das haben? Es war gut. Zahlen bitte. Und ganz wichtig: wie man sich beim Küchenchef einschleimt. Markus Baumgartner erklärte gut und gerne, wie das Shinwazen seine eigene Miso ansetzt. Da fiel mir ein, dass ich mal einen italienischen Osterkuchen backen wollte. Nun behaupte ich, die japanische Küche ist ein bisschen wie die italienische. Denn nur, wenn das herzustellende Produkt gefühlte 7000 Tage geknetet, gewendet, gerührt und immer wieder mit ganz viel Liebe bedeckt und direkt aus dem Herzen angelächelt wurde, ist es gut genug. Und das war die Miso. Bisschen Reis, bisschen Frühlingszwiebelchen und bisschen kleine Stückchen Okra. Alles ganz feine Geschmäcker und mit Abgang ohne fieses Kratzen im Hals. japanspaziergang_laterne

Mittlerweile scharrte unsereins bereits ungeduldig mit den Füssen und konnte es kaum erwarten, sich die Beine zu vertreten. Also kriegten wir das hübsche Set mit Kopfhörer und Mini-Ipod und los ging es. Auf wunderschöner Route (welche wir kurz darauf in umgekehrter Richtung gleich nochmal abgelaufen sind) durch das romantisch eindunkelnde Zürich und ich fühlte mich so richtig japanklischeeig. Jeder allein mit seinem Kopfhörer, aber gut aufgehoben in der Gruppe. Die besprochenen Kassetten (haha, merksch) waren interessant und lehrreich und falls wir während dem Hören komische Töne von uns gegeben haben, dann nur, weil wir am Sprache lernen waren. Auch die Handzeichen sind essentiell, also nicht erschrecken, wenn euch in Zukunft öfters wild fuchtelnde Leute mit farbigen Kopfhörern und glücklichen Gesichtern entgegen kommen. japanspaziergang_miyukowand Gerade rechtzeitig zu Ladenschluss trafen wir beim zuckersüssen Café Les Gourmandises de Miyuko ein, wo wir spätabends noch bewirtet wurden. Das machen sie nur für japanische Touris. Ich weiss gar nicht, was ich bei Miyuko am Tollsten finde. Wie hübsch das Lokal eingerichtet ist, wie wundervoll die Torten dekoriert sind oder was für Pionierarbeit Sara Hochuli und ihr Team im Bereich Glutenfrei/Laktosefrei/Vegan leisten. Wir wurden also verpflegt mit allerlei Süssem und süss Angerichtetem. Mir liegt das Währschafte, bin nicht so der Tortenfan, aber weil die alle so irrsinnig aussahen, musste ich ein Stück haben. Am liebsten war mir das kleine unscheinbare Küchlein ganz unten versteckt auf der Etagere. Schoggi mit Schoggi halt, gä. Die Getränkekarte ist eine Augenweide und auch hier findet sich eine liebevolle Auswahl von nicht alltäglichen Produkten. Schöner lässt sich ein Abend kaum ausklingen. japanspaziergang_hellokitty

Ich bin nicht sicher, ob Frau Sakata die Dose auf meinem Heimweg absichtlich platziert hat, oder ob das ein Zeichen war, mich nun doch endlich mal konkret mit dem Reiseziel Japan auseinander zu setzen. Falls ihr, geneigte Leserschaft, weiter seid und eure Pläne Form annehmen oder ihr sogar bereits einen Flug gebucht habt (duuu!), dann lege ich euch den Crashkurs sehr ans Herz, denn ihr werdet euch am Ende des Abends wünschen, jetzt gleich sofort an den Flughafen fahren zu können, gäll Steffi. Der nächste Spaziergang findet am 28. August** statt. Bleibt also noch ein wenig Zeit, sich anzumelden. Ich wünsche u viel Vergnügen und bin ein bisschen neidisch. Kanpai!

* der Spaziergang startet seit 2014 im Restaurant Ototo
** der nächste Spaziergang findet am 29. Oktober 2014 statt

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