Ojalá

Meine Mexikovermissungsphase ist noch nicht vorüber (siehe letzte beide Blogeinträge). Empfindet Ihr, sehr verehrte Leserinnen und Leser, sowas Ähnliches manchmal auch? Eine unbeschreibliche, undefinierbare Sehnsucht nach Anders, nach Mehr, nach Farbiger, Fröhlicher und Lockerer? Sei dies im echten Leben oder auch nur in jenem, welches wir uns auf voyeuristische Weise durch Bildschirme einverleiben. Meiner Meinung nach wird dieser Wunsch durch das herkömmliche Fernseh- und Filmangebot mit seinem eintönigen, langweiligen und ermüdenden Angebot nicht erfüllt. Deshalb bin ich einmal mehr irrsinnig froh für Netflix und habe hier für euch drei weitere wundervolle, anregende und interessante Empfehlungen:

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Las Chronicas del Taco
Nachdem sich mein Hirn daran gewöhnt hat, dass die Tacos in dieser Dokuserie selbst sprechen (!), fand ich das Konzept hervorragend witzig. Pro Folge wird jeweils eine der verbreitetsten Sorten mexikanischer Tacos portraitiert: Pastor, Carnitas, Canasta, Asada, Barbacoa, Guisado. Irgendwie hatte ich eine Ahnung, dass es verschiedene gibt, aber trotzdem war ein Taco bisher vor allem ein Taco. Zu jeder Sorte wird erläutert, woher (wahrscheinlich) ihr Name kommt, wie sie (wahrscheinlich) entstanden ist und weshalb sie (wahrscheinlich) so beliebt ist. Welche Entwicklung die jeweiligen Originalrezepturen durchmachen, wenn z.B. junge Köchinnen den Betrieb des Vaters übernehmen, junge Einwanderer in den USA sich den dortigen Vorlieben anpassen oder wenn eine Muxe aus Oaxaca ihre Tacos auf Baustellen in Mexico City verkauft. Die Experten referieren gefühlvoll über ihre Beziehung zu Tacos, junge Leute geraten an Verkaufsständen ins Schwärmen und die Begeisterung der Macher dringt durch jede Pore der Serie. Ich verspreche euch, ihr werdet meinen zu riechen und zu schmecken, was in den Küchen und auf den Strassen vor sich geht. Ein Augenschmaus!

Queen of the South
Die klassische Geschichte des kleinen Drogendealers, welcher zum Kartellboss aufsteigt. Das Drehbuch unterscheidet sich nicht gross von den bisherigen Aufsteigerbiografien dieses Milieus: Kindheit in Armut und Kriminalität, erste kleine Jobs als Kurier, der verführerische Glanz des schnellen Geld, die Verknüpfungen von Unglück und falschen Versprechen, welche einen Ausstieg praktisch verunmöglichen, die Chance zum Aufstieg, die Gefahren, als Kopf des Unternehmens zu bestehen und das unausweichliche, frühe Ende. ABER. Die Serie besticht dadurch, dass 1) einige der Hauptrollen von Frauen besetzt sind, 2) viele der Schauspieler*innen tatsächlich von lateinamerikanischen Personen gespielt werden und 3) die Crew natürlicher und weniger herausgeputzt wird, als in vielen Serien üblich. Es ist schlichtweg erfrischend, mich selbst in so einer Rolle zu sehen. Sei es auch nur, weil aufgezeigt wird, dass Frauen – in diesem Business, wie in allen anderen – verletzlicher sind. Und sei dies nur aus dem simplen Grund, weil sie physisch schwächer sind. Für diese Serie verbiete ich mir die Frage, wie wertvoll oder gescheit es ist, dem Drogen-/Menschenhandel, also der Kriminalität, der Brutalität und dem Elend eine so grosse Plattform zu bieten.

Gentefied
Gestern vom Algorithmus empfohlen bekommen und direkt vier Folgen durchgebinged. Als erstes ist der Titel grossartig, ich habe eine Schwäche für schlaue Wortspiele (La Gente heisst das Volk, die Leute. Gentrifizierung wird langsam auch hierzulande ein Begriff). Authentizität: Die Darsteller*innen sprechen Spanisch als Muttersprache. Die Dialoge sind erfrischend und witzig. Die Stories echt. Es wirkt auf mich, als wird hier die Realität abgebildet. Jenen, die sonst in Filmen nur im Hintergrund erscheinen (meist als Kriminielle irgend einer Art, gerne als Dienstmägde oder Chauffeure, oft auch als Küchenhilfen oder Prostituierte) wird auf dieser Plattform die Möglichkeit geboten, ihren Alltag und ihre Realität darzustellen. Produziert hat die Serie America Ferrera, ihres Zeichens Tochter honduranischer Einwanderer und von jeher Verfechterin von Diversität und Gleichstellung aller Arten von Menschen. Die Serie wird als Comedy Show bezeichnet, worüber ich mir nicht so sicher bin. Natürlich, es werden alle Klischees bedient – sie tanzen, essen, singen und machen viele Witze – aber vor allem werden eben auch die Probleme thematisiert, mit denen die Unterprivilegierten der Gesellschaft auf täglicher Basis zu kämpfen haben.

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